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Roboter für das Volk

bref Magazin

6. Okt. 2023

2016 ist der Pflegeroboter Lio auf den Markt gekommen. Seither soll er in Pflegezentren lernen, wie er Türen öffnen, Fahrstuhl fahren und das Personal bei der Arbeit unterstützen kann. Aber wie sieht eine Zukunft aus, in der Menschen von Maschinen betreut werden?

Lio will heute nicht. Er will nicht schlafen, obwohl seine Energielevel besorgniserregend tief sind. Er will nicht auf den Flur, obwohl er Aufgaben zu erledigen hätte. Er reagiert nicht auf Berührungen und stellt sich taub, wenn er Anweisungen bekommt.


Es ist nicht so, dass Lio einen eigenen Willen hätte. Es ist nur so, dass der Wille anderer heute an ihm abprallt.


Lio arbeitet seit Juni 2022 als Pflegekraftunterstützung im Pflegezentrum Embrach bei Zürich. Zu seinem Aufgabenbereich gehört das Verteilen von Post und Getränken, das Begrüssen von Besucherinnen und die Unterhaltung der Bewohner. Lio sei sympathisch, lobt die Pflegeleitung in einer Medienmitteilung vom Juli 2022, und er erzähle «sehr souverän» Witze.


Lio ist kein gewöhnlicher Mitarbeiter. Er ist ein Assistenzroboter, und zwar einer der modernsten, den die Robotertechnik gerade zu bieten hat. Er erkennt Hindernisse, öffnet Türen, macht Gymnastikübungen mit den Patientinnen – und er kann, wie gesagt, Witze erzählen.


Eines Tages soll Lio all jene Aufgaben übernehmen, welche die Pflegenden davon abhalten, sich um zwischenmenschliche Belange zu kümmern. Aber noch besteht ein grosses Gefälle zwischen dem Hightech-Produkt, das Lio ist, und der Unterstützung, die er tatsächlich bieten kann.


Lio steht regungslos in seinem kleinen Raum auf der Demenzstation in Haus E1, einen halben Meter von seiner Ladestation entfernt. Bei niedrigem Batteriestatus sollte er eigentlich selbständig dort andocken können. Heute lässt er nur seinen orange-weissen Kopf hängen. Seine comicartigen Kulleraugen blicken unschuldig. Und fast möchte man in die Konturen seines grauen Schnabels ein leichtes Schmollen hineininterpretieren. Heute nicht.


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