Sonntagszeitung
4. Mai 2023
Hach, wie blüht es schön im Garten von Alnwick Castle im Norden Englands! Wäre da nicht das schwarze Eingangstor mit dem Warnschild «Diese Pflanzen können töten». Alles, was hier wächst, ist giftig.
«Alle Pflanzen hinter diesen Toren haben die Fähigkeit, euch zu töten. Ihr dürft sie nicht berühren, an ihnen riechen oder ihnen zu nahekommen.» John Knox schenkt den Gästen seiner Nachmittagstour einen strengen, durchdringenden Blick. Dann entriegelt er mit einem Schlüssel die schwarzen, mit Totenschädeln versehenen Eisentore. Die Scharniere quietschen, die Besucher lachen verhalten, man hört fast, wie manche von ihnen förmlich die Luft anhalten. Gleich werden sie den gefährlichsten Garten der Welt betreten.
Der Poison Garden von Alnwick in der nordenglischen Grafschaft Northumberland beherbergt über hundert giftige Pflanzenarten, von hochgiftigen Tropengewächsen über Psychedelika bis hin zu unerwarteten Hauspflanzen. Vor einem Beet mit prächtigen, grünen Blättern an roten Stängeln bleibt John Knox stehen. Er muss sie erst zur Seite schieben, damit man das kleine Schild sehen kann, auf dem steht: Rheum rhabarbarum. Gemeiner Rhabarber. Ein ungläubiges Tuscheln geht durch die Menge. Rhabarber? Eine tödliche Pflanze? John Knox verzieht keine Miene, als er erklärt, dass sich in den Blättern Oxalsäure befindet, die man sich wie «zahnstocherförmige Kristalle» vorstellen müsse: «Wenn ihr den Rhabarber roh esst, zerfetzen die euch den Mund, die Zunge und den hinteren Teil des Rachens!»
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